Der Zusammenbruch der New Economy 2000 verstärkte den Vorwurf, dass die Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland unbeweglich und verkrustet seien. Von verunsicherten Verbrauchern und Investoren war die Rede, von Machtlosigkeit, Ängstlichkeit und Gleichgültigkeit, von Verlust des Vertrauens der Bürger in ihren Staat.
• Dass die Beamtenstrukturen aus Bismarcks Zeiten stammen,
• dass des Staates "Mühlen zu langsam mahlen" und mit modernen Strukturausprägungen im Zeitalter von Globalisierung, Vernetzung und Online-Kommunikation wenig zu tun haben,
Sind dies nur Vorurteile oder berechtigte Vorwürfe?
Prozessuale, künstlerische Forschungarbeit
Vorgehensweise
Mit dieser Ausgangssituation verwickelte sich bzw. ließ sich Erwin Liedke in verschiedene Kommunikationsprozesse verwickeln, in denen Unklarheiten und Ungenauigkeiten passierten und aus denen sich in aller Regel Bürger:innen aufgrund fehlender Zeit, fehlender Kenntnis, fehlender Zuversicht oder einfach aufgrund praktischer Intelligenz entziehen.
Durch die Störung des in der Regel standardisierten Ablaufes und die Einbringung alternativer Wege ergaben sich jeweilige Prozess-Korrespondenzen, die umfangreiche Einblicke in den deutschen apparat ermöglichen. Die beteiligten Firmen, Behörden und Institutionen wurden über die Teilnahme an dem Forschungsprojekt zunächst nicht informiert. Ein Copyright-Zeichen sowie eine Bezugnahme auf GeheimRat nebst Security-Zeichen auf allen Schriftstücken deuteten auf ein weiterführendes Interesse hin.
John Cage:
„Ich glaube, die moderne Kunst hat das Leben zur Kunst gemacht, und jetzt finde ich es an der Zeit, dass man das Leben (mit Leben meine ich hier Dinge wie öffentliche Verwaltung, gesellschaftliche Regeln und Ähnliches), die Umwelt und überhaupt alles in Kunst verwandelt, anders gesagt, sich ihrer annimmt und aus einem bloßen Durcheinander etwas schafft, das unsere Existenz erleichtert, anstatt uns alle unglücklich zu machen.“
[Richard Kostelanetz, John Cage im Gespräch, Köln 1991, S. 163]
Sechs Prozesse
Kommunikationsstrukturen von Finanzämtern #199931, Mai 2k00 bis 2k03
Künstlerpseudonym #199999, Mai 2k00 bis 2k03
Behördenapparat im Zusammenhang einer Abschleppaktion #199921, Mai 2k01 bis 2k03
Temporisationsmoment im Rahmen der Festsetzung eines Fahrzeugs #199967, März 2k02 bis 2k03
Kommunikation im Rahmen eines Ablösungsbegehrens einer deutschen Bank #199933, Mai 2k02 bis 2k03
Handel mit Datenmaterial #199961, Mai 2k02 bis 2k03
Neuer Typ von Kognitionsforschung
„Ich stelle mir einen neuen Typ von Kognitionsforschung vor, der die systemstheoretischen Mittel zur Exploration nutzt.
Und ich stelle mir vor, dass es sich dazu lohnen würde, sich der Mitarbeit von Künstlern zu vergewissern. Denn die Kunst ist jene skeptische Beobachtung von Bildern, Rahmen, Spielen, Gesten und Tonfällen, die in der Lage ist, die Matrizen nachzuweisen, die von den Systemcodes vorausgesetzt und auf Abstand gehalten werden. Sie schafft dies ganz ohne die Hilfestellung der Wissenschaft. Aber das muss nicht heißen, dass es nicht fruchtbar werden könnte, diesen künstlerischen Blick für die Ambivalenz von Attraktionen mit dem wissenschaftlichen Blick für den Kalkuel der Anschluss suchenden Operationen zu kombinieren.“
[Dirk Baecker, Wozu Systeme?, Berlin 2002, S. 39]
dda Korrespondenzen im Tresor
Erste Ergebnisse, Schlussfolgerungen
Deutschland stellt sich als ein Verschiebebahnhof von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten dar.
Das System ist im Bereich Abwicklung wie ein Einbahnstraßen-Schleusensystem aufgestellt.
Eine Überregulierung der Abläufe erwirkt Unbeweglichkeiten und Statik.
Problemverursacher sind nicht an Problemlösungen orientiert und gebunden.
Beamt:innen bauen ihre zum Teil hervorragende Ausbildung und ihre Kompetenzen in ihrem schmalen Fachbereich bis zur Perfektion aus.
Lineare Arbeitsweisen behindern Vernetzungen.
Systemstörungen wird häufig mit hierarchischem Gestus begegnet.
Das System ist auf Vermassung ausgerichtet.
Die Verfahrensabläufe positionieren den Bürger strukturell ungleichberechtigt.